Die Europäische Union - Kranker Mann oder gefesselter Riese ?

Veröffentlicht am 16.05.2019 in Allgemein

SPD- OV Donaueschingen diskutiert: wird die EU ihren eigenen Ansprüchen gerecht?
Um es vorwegzunehmen: Das EU- freundliche Ergebnis stand von vornherein fest. Von einer Partei, die seit 1925 ( Heidelberger Programm) nicht müde wird, die europäische Einheit zu befördern, war das nicht anders zu erwarten. Dennoch wagten der Ortsverein der SPD Donaueschingen und SPD- regio3 den Blick in den Abgrund. Und taten es in Form einer "Debattiergesellschaft": Zwei Kontrahenten vertreten diametral entgegengesetzte Meinungen. Dabei kommt es darauf an, innnerhalb eines festen Zeitraums möglichst viele Zuhörer zu überzeugen von dem, was man vorträgt. Und das muss keineswegs die eigene Meinung sein. Es geht um die Freude an der Auseinandersetzung. Danach stimmen die Zuhörer ab, welche Argumente die besseren waren, auch hier lediglich den Erfolg der Darbietung beurteilend. Den Anfang machte Klaus Schätzle aus Sulz, dem die Rolle zugefallen war, die EU als zum Scheitern verurteilt darzustellen. Die EU sei als "Wertegemeinschaft" unglaubwürdig geworden. Weder Friede noch Demokratie, Versöhnung oder Menschenrechte seien bei ihr in guten Händen. Waffenexporte, undemokratische Regierungen in Polen, Rumänien, Österreich, Ungarn, innere Konflikte aller Art, zum Himmel schreiende Behandlung von Flüchtlingen zählte er neben einer Vielzahl weiterer Beispiele auf. Danach führte er eine lange Liste gescheiterter Projekte vor Augen, von der Transaktionssteuer über Bankenzerschlagung und einheitliche Unternehmensbesteuerung bis hin zu fehlenden Gemeinsamkeiten in der Sozial-, Außen- und Handelspolitik und der Behandlung der Atomenenergie. Solchermaßen geschwächt könne Europa in den Auseinandersetzungen mit Großmächten, Konzernen, Kriegstreibern, Umweltverschmutzern, Rechtspopulisten und sozialen Protestbewegungen nur verlieren. Deutschland, einstmals treibende Kraft, sei inzwischen im Bremserhäuschen, Umweltschutz sei kurzfristigen Wahlerfolgen untergeordnet, die dem Süden Europas aufgezwungene Austeritätspolitik treibe durch Jugendarbeitslosigkeit und Rentnerelend die Menschen scharenweise in die Verzweiflung. Unsere Exporterfolge seien in erster Linie für die Not der Nachbarn und der Entwicklungsländer verantwortlich. Die zweifellos vorhandenen guten Ausgangsbedingungen für einen europäischen Bundesstaat würden durch Dummheit, Geldgier und Nationalismus verspielt. Dem widersprach ebenso engagiert Mathias Schwarz aus Tuttlingen. Er setzte der kühlen Aufzählung der Defizite zunächst seine eigenen, persönlichen Erfahrungen als Mitarbeiter einer EU- Organisation entgegen und nahm die Zuhörer mit auf die Reise in die Entstehungsgeschichte der europäischen Einigung, wobei einiges von der ursprünglich herrschenden Begeisterung überschwappte. Schwarz hat dieses von Churchill, Schumann, Schulz, um nur einige zu nennen, angefachte Feuer nie verloren, er hatte den Vorteil, dass seine eigene Meinung mit seinem Vortrag übereinstimmen durfte. Er wies auf die Vielzahl von Konflikten und Kompromissen hin, die die EU ausmachten, erinnerte an die Verdienste einer Frieden und Wohlstand in Europa schaffenden völkerverbindenden Einrichtung, die bei aller berechtigten Kritik sich doch immer in Richtung mehr Demokratie und mehr Menschen-, Verbraucher- und Arbeitnehmerrechte entwickelt habe. Er zeigte auf, welche Chancen in einer gesamteuropäisch organisierten Listenwahl des EU- Parlaments lägen und was das besonders für uns Sozialdemokraten bedeute. Die mit Spannung erwartete Abstimmung teilte die Zuhörerschaft glatt in zwei Hälften, beste Voraussetzung für die sich anschließende mehr als einstündige Diskussion, in welcher nun wieder die jeweils eigene Meinung gefragt war. Weitere Beispiele, Probleme und Lösungsansätze vertieften die Vorträge. Dabei zeigte sich, dass die Anwesenden der Ansicht waren, dass zum Versuch, die Probleme der EU mit sozialdemokratischen Mitteln zu beheben, eine Alternative gar nicht denkbar sei. Am Ende des Abends stand schließlich dann wieder - ohne Gegenstimme - eine debattencampgerechte Resolution: "Diese Versammlung glaubt, dass die nächste Wahl zum Europäischen Parlament mit europaweiten Wahllisten ausgeführt werden sollte." Es gilt, den Riesen zu entfesseln!


Klaus Schätzle, 16.5.19

 

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