regio3#SPD gerecht

Veröffentlicht am 10.09.2018 in Aktuelles

 regio3#SPD gerecht 29.8.18

"Gerechtigkeit der Erden, o Herr, hat Dich getötet." Nicht erst seit Heinrich Bölls " Waage der Baleks" wissen wir, dass es um die Gerechtigkeit doch arg vertrackt bestellt ist. Seit Monaten müht sich die Gerechtigkeitsgruppe der

spd regio3 in den Kreisen Schwarzwald-Baar, Rottweil und Tuttlingen

um eine praktikable Begriffsbestimmung, mit der man als Politiker etwas anfangen kann. Wir haben schon über ein Bedingungsloses Grundeinkommen gesprochen, John Rawls und andere Philosophen bemüht, uns über Vermögens- und Erbschaftssteuer, Verteilung und Privilegien, soziale Gerechtigkeit und den "Schleier des Nichtwissens" gebeugt und sind jüngst darauf gestoßen, dass Gerechtigkeit sich in eine Vielzahl von Unterzielen aufsplittert, die einander teilweise leider auch noch widersprechen.

Vorsicht: wenn sie jetzt weiterlesen, werden Sie vielleicht angesteckt!

Nehmen wir doch mal das Thema Studiengebühren, von denen ja wohl die meisten "wissen", dass sie ungerecht sind, und schauen etwas genauer hin.

Also: Studiengebühren für das Erststudium:

sind sozial ungerecht, weil sie

- Menschen aus niedrigen Einkommensschichten stark belasten und deshalb

- eine weitere Schranke für bildungsferne Schichten errichten

 

sind im Gegenteil sozial gerecht, weil sie

- Studierende treffen, die später dank ihrer Ausbildung mehr verdienen werden

- die o.a. bildungsfernen Schichten entlasten, die sonst auch noch das Studium der Privilegierten mit ihren Steuern bezahlen müssten.

 

Um zu einem Urteil zu kommen, müsste man a) zunächst wissen, wie sich Studiengebühren faktisch ausgewirkt haben und dann b) fragen, nach welchen Werturteilen sich diese Tatsachen bewerten lassen.

a) Auswirkungen auf  Studierende während des und nach dem Studium, auf deren Eltern, auf die nachrückenden Jahrgänge, auf die Konkurrenz auf dem Ausbildungs- und Arbeitsmarkt, auf konkurrierende Finanzierungsbedürfnisse, auf Steuerzahler ...

Diese Personengruppen überschneiden sich nun auch noch in vielen Fällen.

 

b) Jetzt müssen Werturteile weiterhelfen:

Wer sagt, gerecht ist Einkommensverteilung nur dann, wenn sie eher gleichmäßig ist,  muss für  Studiengebühren; wer aber für Chancengerechtigkeit ist, eher gegen sie sein.

Wer die Meinung vetritt, dass, wer einen Vorteil für sich will, selbst dafür zahlen muss wäre dann wohl für  Studiengebühren; wer jedoch Familien mit Kindern nicht belastet sehen will, dagegen .

 

Ja, jetzt, wie?

 

Im Folgenden ein kurzer ( ich schwör's!) Überblick über konkurrierende Teilziele:

Leistungsgerechtigkeit: "Jedem das Seine"

Eigene Anstrengung berechtigt zu voller Verfügung über das Ergebnis. Klingt einleuchtend, kann aber hinterfragt werden: Was ist Leistung, wie wird sie individuell gemessen, besonders, wenn ein Kollektiv arbeitet?

Tauschgerechtigkeit: Gleichwertigkeit von Leistung und Gegenleistung, betrifft auch Güter, in deren Besitz man leistungslos gekommen ist : Erbe, Schenkung.

Der Tausch muss freiwillig sein, weder durch Betrug noch durch Erpressung zustandekommen.

Und: Güter müssen im Verhältnis ihres wahren Wertes getauscht werden. Da liegt der Hund begraben. Wie finde ich den wahren Wert? Nur orthodoxe Marxisten bezweifeln, dass der faktische Wert auf einem Markt entsteht.

Außerdem: Tauschen ändert nix an der vorgefundenen Güterverteilung. 

Bedarfsgerechtigkeit: Jeder Mensch hat das Recht auf eine Mindestausstattung mit dem, was er braucht, um sinnvoll zu leben. (Glauben wir Sozis wenigstens.)

Bedürfnisgerechtigkeit: Geht noch darüber hinaus: Wenn ich für etwas die Begabung habe, hat die Gesellschaft ein Interesse, mich zu fördern?

Chancengerechtigkeit: größtmögliche Fähigkeit, Güter und Sozialstatus zu erwerben und Lasten zu vermeiden

Schließlich gibt's da noch die Belastungsgerechtigkeit ( schwere Lasten auf breite Schultern), und, über die formale Rechtsgleichheit ( vor dem Gesetz sind alle gleich) hinausgehend, die soziale Gleichheit bei Besitz, Einkommen, Kindererziehung, Zahl der Autos vorm Haus). Über Ergebnisgleichheit reden wir nicht, die gibt's nicht, die wollen wir auch nicht.

Was wir sehr wohl wollen:

Wir freuen uns über Kritik, Anregungen und, ja, auch über weitere TeilnehmerInnen; unser nächstes Treffen ist am 9. Oktober, 18 Uhr, im Hotel Hirt in Deißlingen. An dem Abend unterhalten wir uns unter Gerechtigkeitsgesichtspunkten darüber, wie die Grundsteuer neu gestaltet werden soll.

Kleiner Tip zur Vorgehensweise: Es hilft, die Teilziele in einer persönlichen Liste nach Wichtigkeit anzuordnen und dann danach zu fragen, wie von diesen Vorstellungen aus die neue Grundsteuer ausgestaltet werden sollte; bei Konflikten gilt es dann, abzuwägen.

 

Sulz, 4.9.18, Klaus Schätzle

 

 

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