Offener Brief an alle Ortschaftsräte

Liebe Kolleginnen und Kollegen,
der Mühlheimer Ortschaftsrat hat in seiner jüngsten Sitzung sehr differenziert über die Abschaffung der unechten Teilortswahl diskutiert und sich gleichwohl mehrheitlich teils heftig dagegen ausgesprochen.
Folgt man der Berichterstattung, so steht dabei vor allem ein Argument im Vordergrund: Listenwahl kann dazu führen, dass ein Teilort nicht mehr im Gemeinderat vertreten ist, was zu einer Benachteiligung dieses Ortsteil führt.

Was ist davon zu halten?
Zum einen ist das kein Argument sondern reine Spekulation. Schließlich ist der Fall ja nicht eingetreten, also nicht zu beweisen! Zum andern, zu Ende gedacht, heißt das: Bisher haben nur die Stadträte aus Mühlheim verhindert, dass eine gegen sie eingestellte Mehrheit im Gemeinderat Entscheidungen trifft, die gegen Mühlheimer Interessen verstoßen. Wie aber haben sie das verhindert? (Wieviele Mühlheimer Stadträte hat es in jeder Sitzungsperiode gegeben?) Und umgekehrt: Wenn es je in Mühlheim nicht nach dem Willen des Ortschaftsrats ging, was konnte der Mühlheimer Stadtrat dagegen unternehmen?
Mir scheint, hier wird eine Front aufgebaut, die es gar nicht gibt. Im Sulzer Gemeinderat, dem ich seit 1984 angehöre, wird keine Politik gegen einzelne Ortsteile gemacht. Und Ortsteilvertreter haben sehr wohl die Gesamtstadt im Blick, wenn sie sich für die Interessen ihres Wahlbezirks einsetzen.
Wie würde die Zukunft aussehen? Ortschaftsräte und Ortsvorsteher würden weiterhin im Ort die Prioritäten setzen. Der Ortsvorsteher ist automatisch bei allen Sitzungen des Gemeinderats und seiner Ausschüsse mit Rederecht dabei. Wo ist da der Unterschied zu heute, da er eine Stimme von 20 hat?
Die Abschaffung der unechten Teilortswahl verändert nicht die Machtstrukturen, wohl aber die Einstellung zur Gesamtstadt. Wir müssen kleinteiliges Denken überwinden, wenn wir die Stadt voranbringen wollen.

Klaus Schätzle