Reform der Unternehmenssteuer

Einfach gibt‘s nicht

Lothar Binding und die Unternehmenssteuer

Von Hans-Jörg Schweizer, Neckar-Chronik
Der Tabak, den ich am Mittwochabend auf der Terrasse des Hopfauer Hotels an der Glatt rauchte, den habe ich bei einer Sulzer Tankstelle gekauft. Soviel zur Kritik des Sulzer Hauptamtsleiters Hartmut Walter an einer Mineralöl- und Tabaksteuerpolitik, die Raucher und Tanker ins nahe Ausland treibe. Um Sprit und Kippen ging es aber eigentlich gar nicht beim Vortrag des SPD-Finanzexperten Lothar Binding in Hopfau. Der erklärte vielmehr die Reform der Unternehmenssteuer, die im Januar 2008 in Kraft tritt.

Allerdings sprach Binding von einem durchaus ähnlichen Phänomen wie bei Zigaretten und Benzin: Die seitherige Besteuerung der Unternehmen habe viele Firmen zwecks Gewinnverschiebungen ins steuerlich günstigere Ausland getrieben. Wie bei Rauchern und Autofahrern blieb den Hütern des deutschen Staatssäckels das Nachsehen, denn vor allem Gewinne werden eben besteuert. Wie die im Sommer beschlossene Unternehmenssteuerreform die Gleise zum Verschiebebahnhof künftig sperren soll, das versuchte der Heidelberger Bundestagsabgeordnete zu klären.

Steuerpolitik ist nun aber mal ein wahrlich sperriges Thema, und selbst in einer großen Koalition – vielleicht sogar gerade in einer solchen – kann man es da nie allen recht machen. Schon gar nicht, wenn bei einem Vortrag zur Unternehmenssteuerreform die gastgebende Sulzer SPD zusammen mit einem Steuerberater, einem Bürgermeister und einem CDU-Kreisrat im Auditorium sitzt. Doch gerade diese Konstellation garantierte der Hopfauer Veranstaltung trotz sehr überschaubarer Zuhörerzahl eine lebhafte Debatte.

Bindings Erläuterungen zur Steuerpolitik gerieten zu einer wahren Schulstunde über die 17 in Deutschland gebräuchlichen Gesellschaftsformen, über oft gehörte und nie verstandene Fachbegriffe und über die verschlungenen Wege des großen Geldes kreuz und quer durch Europa. Was ist eine Körperschaft und was eine Personengesellschaft? Wo setzt der Staat jeweils den Steuerzapfhahn an? Auf welche Weise können Firmen bisher dem staatlichen Aderlass entkommen? Was gedenkt die Koalition dagegen zu unternehmen?

„Es gibt kein einfaches und gerechtes Steuersystem“, gestand Binding gleich eingangs und frustrierte damit unter anderem Zimmermann und Kreisrat Klaus-Dieter Thiel, der sich ebenso wie Bürgermeister Gerd Hieber Vereinfachung und Entbürokratisierung wünschte. Um der sich stetig öffnenden Schere zwischen arm und reich, zwischen Arbeitnehmer und Top-Manager, zwischen Mittelständler und Großkonzern, zwischen Kommune und Bund Herr zu werden, müsse die Politik nun aber vor allem den Finanzvorständen der großen Firmen klar machen, warum es sinnvoll ist, ihre Gewinne in Deutschland zu versteuern. Denn obwohl Deutschland mit dem höchsten „Unternehmenssteuersatz“ von 40 Prozent in Europa die Rote Laterne habe, komme angesichts der exportierter Gewinne trotzdem kaum Geld in die Kasse. Da helfe es wenig, den Steuersatz zu erhöhen, denn „auch 50 Prozent von nichts sind ziemlich wenig“, so Binding.

„Jetzt wird also für alle Unternehmen der Steuersatz von 40 auf 30 Prozent gekürzt. Außerdem wollen wir die bisher unfairen Finanzvorstände ärgern und die Verlagerung der Gewinne ins Ausland erschweren, so dass sich der ganze Aufwand nicht mehr lohnt. So dass sie zwar nicht mehr Steuern Zahlen als bisher – aber dafür mehr davon in Deutschland. Unser Ziel ist es, dass der Unternehmer, der bisher null Prozent zahlt, künftig 30 Prozent zahlt – genauso wie der kleine Handwerker auf dem flachen Land, der bisher brav seine 40 Prozent zahlt.“ Binding sagte auch, wie die Steuerreform das schaffen soll: Begriffe wie „Zinsschranke“, „Thesaurierung“ oder „Funktionsverlagerung“ erklärte er ziemlich allgemeinverständlich, sodass zum Schluss sogar der anfangs kritische Wirtschaftsprüfer Edwin Freiherr von Podewils aus Leinstetten lobte: „Sie haben einen sehr guten Vortrag gehalten.“

Idealerweise wünscht sich Binding eine europaweit einheitliche Besteuerung der Unternehmen, um das Steuerdumping endgültig abzustellen. Doch da stoße die deutsche Politik auf das gleiche Problem wie bei Mineralöl- oder Tabaksteuer: „Wir haben dummerweise viele Grenzen und es gibt vieles, was wir in Europa noch immer nicht verabreden können.“

Die angekündigten Informationen über die im Schwange befindliche Debatte um die Erbschaftssteuer kam bei Bindings Vortrag zwar klar zu kurz, doch nach zweieinhalb Stunden Steuerpolitik hätte ohnehin kaum noch jemand etwas in den Kopf gebracht. Als Auftakt für die forcierte Öffentlichkeitsarbeit der Sulzer SPD war das Binding-Referat jedenfalls zumindest ein lehrreiches. Nicht so publikumsträchtig wie ein Volker Kauder auf dem Marktplatz zwar, aber mit etwas populäreren Themen, ähnlich guten Referenten und zentraler gelegenen Veranstaltungsorten können die Sulzer Genossen sicher auch Normalsterbliche hinter dem Ofen vorlocken.

 

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