Haushalt 2006

Stellungnahme der SPD-Fraktion zum Haushalt 2006 (Zur Genese:) Die SPD- Fraktion beginnt ihre Stellungnahme zum Haushalt 2006 mit den Artigkeiten, schreitet dann über gemäßigte zu harscher Kritik, um schließlich mit knapper Not über weitere Übereinstimmung mit den anderen Akteuren die Kurve zur Zustimmung zum Planwerk zu kriegen. Sanierung des Historischen Stadtkerns Die SPD- Fraktion begrüßt dieses Vorhaben. Es steht im Einklang mit unserer oft geäußerten Forderung, angesichts der Sogkraft von "Neckarwiesen" müssten besondere Anstrengungen unternommen werden, die Innenstadt zu stärken. Diese Aufgabe kann privaten Investoren alleine nicht zugemutet werden. Überdies pflegen Privatleute meist ihr eigenes Konzept zu verfolgen und sich um die Einbettung ihres Projekts in die Entwicklung des Ganzen weniger zu kümmern. Deshalb ist es richtig, dass die Stadt hier in Vorleistung tritt. Wir sehen allerdings an drei Fronten Gefahren für das Gelingen dieses Vorhabens. Die – oft doch schon älteren - Eigentümer so zu begeistern, dass sie tatsächlich die großen Summen einsetzen, die trotz gewaltigen Zuschusses benötigt werden, ist nur eine davon. Es darf nämlich - zweitens - nicht dazu kommen, dass diejenigen unter den Besitzern, die sich bis heute unverantwortlich verhalten, vielleicht sogar spekuliert haben, auch noch belohnt werden. "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen," heißt es klipp und klar in Art 14,2 des Grundgesetzes. Gebäude, womöglich an prominenter Stelle, verfallen oder kaputtwohnen zu lassen, war schon immer ein Verstoß gegen die Sozialbindung des Eigentums. Deswegen müssen unserer Ansicht nach alle Eigentümer, deren Grundstücks- und Gebäudewert durch die aus Steuern geförderte Sanierung steigt, sich an der Finanzierung der Gesamtmaßnahme über ihre eigenen Investitionen hinaus beteiligen. Dies geschieht durch an die Stadt zu entrichtende Ausgleichsbeträge und das Verbot von Verkäufen, die den sanierungsbeeinflussten Grundstückswert überschreiten. Die Ausgleichsbeträge enstehen aus der Differenz des Bodenwerts ohne Aussicht auf Sanierung gegenüber der durch die Maßnahme entstandenen Bodenwertsteigerung. Ausgleichbeträge verringern die Höhe des staatlichen Zuschusses. Sie kommen deshalb ähnlichen Maßnahmen in anderen Städten des Landes zugute. Ein Verzicht auf solche ausgleichende Beteiligung wäre u. E. ein Verzicht auf ausgleichende Gerechtigkeit. Sanierung ja. Spekulation nein. Ein drittes Problem: Mieterschutz. Auch wir wollen mittelfristig viele junge, kaufkräftige, berufstätige Menschen in den Stadtkern locken, aber es sollte dabei eine Mischung entstehen aus Alt und Jung, Familien und Singles, Ureinwohnern und Zugezogenen. Und natürlich wollen wir auf keinen Fall bewirken, dass Mitbürgerinnen und Mitbürger, die ein Leben lang im Stadtkern gewohnt haben, durch rücksichtslos steigende Mieten verdrängt werden. Dazu ist zunächst einmal behutsames Vorgehen – wie in der "Sozialstudie" der STEG beschrieben – angebracht. Nicht alle alten Menschen sind arm. Nicht alle alten Menschen sind Veränderungen gegenüber grundsätzlich abgeneigt. Aber es braucht viel Takt und Einfühlungsvermögen, Ängste zu nehmen und Lösungen zu suchen. Wir meinen, es gibt solche Lösungen: Wohnungsgarantie für Senioren, Festschreibung von Miethöhen für 5 bis 10 Jahre auf dem Ausstattungsniveau der ortsüblichen Miete sowie bei Neubauten mit Sanierungsmitteln die Ausrichtung am Sozialen Wohnungsbau. Wir sind ganz sicher, dass während der Renovierungsarbeiten Pannen wie in Rottweil nicht passieren dürfen, wo älteren Menschen – wenn auch nur vorübergehend – Unterkünfte ohne eigene Toiletten zugewiesen wurden. Wir fordern deshalb intensive Bemühungen um eine sozial verträgliche Sanierung. Im Zuge der Sanierung sollten wir allerdings auch gleich mit überlegen, ob wir nicht noch einen Schritt weitergehen und wie Nagold z.B. die Sonnenstaße als "Geschäftsverbesserungsbezirk" (BID / Business Improvement District) organisieren, in welchem die Kosten der Verbesserungen von allen Grundbesitzern geteilt werden. Wenn es jetzt nicht zum Glasdach über der ganzjährig geöffneten "Einkaufs- und Erlebnispassage Sonnenstraße" kommt, wann dann? Und vielleicht ließen sich so ganz nebenbei einheitliche Geschäftsöffnungszeiten durchsetzen. Kultur- und Bildungspolitik Die SPD- Fraktion ist stolz darauf, dass es in gemeinsamen Anstrengungen von Bürgern, Vereinen, Verwaltung und Gemeinderat gelungen ist, 2006 zum "Sulzer Kulturjahr" zu machen. Die Landesausstellung des Baden- Württembergischen Künstlerbundes im Backsteinbau und im Schloss, Internationale Theaterwoche, Freilichtoper in Glatt, eine neue Heimat für das Bauernfeindmuseum, die Erhaltung der einmaligen Grabmale des Ensembles im Friedhof ... die Liste ist lang und keineswegs vollständig. Fügt man hinzu, was wir jeden Tag so tun, wird sie noch beeindruckender. Am heutigen Montag haben unter Mithilfe von Schülern des Albeck- Gymnasiums die Vorarbeiten für die Auswahl der bei der Landesausstellung gezeigten Kunstwerke begonnen. Die Karg- Ehlert Musikschule Oberndorf- Sulz, die Volkshochschule, Vereine und Gesellschaften, Kirchen, zwei davon auf demselben Grundstück – was man heutzutage gar nicht hoch genug einschätzen kann – unsere Schulen, wenn sie in die Öffentlichkeit hineinwirken, sie alle nehmen Leistungen der Stadt in Anspruch und die Stadt gibt, was sie kann, auch wenn nicht alle diese Einschätzung teilen. Mit 41.56 € pro Kopf spielen wir in derselben Klasse wie Schwerin, Hannover und Saarbrücken. Wir liegen knapp hinter Baden- Baden(!!), geben aber doppelt so viel Geld für Kultur aus wie Kaufbeuren, zweieinhalb mal so viel wie Pirmasens, Neustadt oder Ansbach. Im Ergebnis bringt uns das nicht nur Freude sondern auch Einkommen: Spitzenreiter im Landkreis mit fast 50 000 Übernachtungen im Jahre 2004, davon 5 000 ausländische Gäste, das zeigt, dass wir keineswegs brotlose Kunst betreiben. Nicht stolz sind wir auf andere Dinge. Der Gemeinderat hat im letzten Jahr mit 15 gegen 8 Stimmen beschlossen, die Stimmung im Landtagswahljahr 2006 nicht mit einer Debatte um Kindergartenbeiträge zu vermiesen. 77 € / Monat für das erste Kind sind ein weiterer Mosaikstein im Bild vom kinderfeindlichen Land Deutschland. Warum jemand überhaupt zahlen sollte, wenn Kindergartenbesuch doch die wichtigste Voraussetzung für Schulerfolg ist, ist ohnehin eines der Rätsel, die uns die Politik aufgibt. Die SPD- Fraktion macht schon seit zwei Jahren eine Erhöhung der Elternbeiträge nicht mit und wird bei nächster Gelegenheit fordern, das dritte Kindergartenjahr kostenlos anzubieten. Wenn alles nix hilft, müssen wir eben unser ängstlich gehütetes Schatzkästlein aufmachen und eine Weile jedes Jahr den Gegenwert von 70 Quadratmetern (!!) eines verkauften Bauplatzes heranziehen. Bildung ist, ich kann es immer nur wiederholen, eine Herzensangelegenheit der ganzen Gesellschaft. Sonntagsredner vergessen nie zu behaupten, wir können auf kein Kind, seine Kreativität und Leistungsbereitschaft verzichten. Bis zum Überdruss wird unsere einzige Ressource in der Konkurrenz mit anderen Ländern beschworen: Köpfchen! Schön wär's schon. Wie sieht es wirklich aus? Immer wieder wird dem Gemeinderat bei der Berechnung der Gruppengrößen in den Kindergärten mitgeteilt, dass ein gewisser Prozentsatz von Kindern erst gar nicht oder unter bestimmten Bedingungen nicht mehr erscheint. Das hat u.a. dazu geführt, dass wir – die Stadt - Gruppen bis zum Platzen – und bis an die Leistungsgrenze der Kindergärtnerinnen – aufgefüllt haben. (Auch wir Sozis, wir geben es zu, haben uns nicht genug Gedanken gemacht, solchem Handeln in der Vergangenheit zugestimmt.) Falsch, ganz falsch! Wir hätten alles tun müssen, herauszufinden, warum diese Kinder nicht mehr kommen. Und wir hätten sie zurückholen müssen. Ich will überhaupt nicht bestreiten, dass viele sicher bei ihren Eltern gut aufgehoben waren oder sind. Aber manche eben nicht, weil die Eltern überfordert sind, oder gar nicht zuhause, oder gleichgültig. Das hat Konsequenzen. Den Zusammenhang zwischen Armut und schlechten Aufstiegsmöglichkeiten hat der jüngste PISA- Bericht schonungslos aufgezeigt. Wer arm ist, steigt nicht auf. Wer arm ist, lebt kränker. Wer arm ist, ist von vielen gesellschaftlichen Aktivitäten ausgeschlossen, selbst in unserem Sozialstaat. Das System sozialer Ungerechtigkeit fängt zuhause an. Es setzt sich fort, wenn im Kindergarten entscheidende Sprachhürden und Verhaltensprobleme nicht gemeistert werden. Der nächste Schritt ist vielleicht Schulversagen, dann kommen Ausbildungs- und Berufsprobleme, einige, längst nicht alle, beginnen eine kriminelle Karriere, die der Gesellschaft wieder doppelt schadet: durch die Tat und ihre Verfolgung. Jedes dieser Kinder hat ein schweres Schicksal. Jedes dieser Kinder fehlt uns nicht nur als Steuer- und Beitragszahler, als Handballer und Sänger, als Käufer und Produzent, als Vorbild und Mitmensch, sondern kostet auch noch eine Stange Geld mehr. Für jeden Schüler geben wir im Durchschnitt ca 5 000 € pro Jahr aus. Unsere zwecks Schulerfolg und Lebenstüchtigkeit speziell betreute Schülergruppe an der Grund- und Hauptschule kostet schon das Doppelte pro Kopf: fast 10 000 €. Hier erscheint ein gesamtgesellschaftliches Problem auf einmal auf der Ausgabenseite unseres Gemeindehaushalts. In diesen Zusammenhang gehört natürlich auch der Integrationsbeirat. Es ist schlimm, wenn schlecht ausgebildete Menschen ausgebeutet werden, schlimmer ist, wenn man ihnen bedeutet, dass sie nicht einmal dafür gebraucht werden (Jeremy Rifkin). Tun wir was dagegen! Personalpolitik: herrliche Zeiten für Arbeitgeber? Die Personalkosten! Ich weiß, es gibt in unserer Stadt Leserbriefschreiber, denen sind sie pure Gräuel. Die GPA mag noch so oft feststellen, dass wir in der Kernstadtverwaltung permanent unterbesetzt sind. Selbst wenn die Kosten um 1 % (!!) steigen, ist das erwähnenswert, wurden doch acht Stellen abgebaut. Steigende Versorgungskassenbeiträge bei sinkenden Beschäftigtenzahlen – wen wundert's? Schließlich rennt in einem Hamsterrad, wer Arbeitnehmer nur als Kostenfaktor, nicht als Nachfrage sieht. Der neue TVÖD (Tarifvertrag für den Öffentlichen Dienst) – eine einzige Zumutung aus Arbeitnehmersicht - ist dafür ein Musterbeispiel. Aus der Finanznot der Öffentlichen Hand geboren, verstärkt er sie noch. Eine Absenkung des Eingangsentgelts von sage und schreibe 19,4% (oder 650 € im Monat weniger) wird die Einkommensteueranteile der Gemeinden nicht erhöhen, die Kinderzahl nicht vergrößern, die Nachfrage nach allem, was die Kommune anbietet, nicht unterfüttern, Arbeitslosigkeit und Sozialhilfe hingegen anschwellen lassen etc etc. Jeder weiß es, es taugt nicht mal mittelfristig, aber alle drehen kräftig mit an diesem Rad. Leider auch die Stadt, wir haben es oft genug beklagt. Arbeitszeiterhöhung – und da gehen wir gleich bis zum Anschlag – schafft keine Beschäftigung. Was gegenwärtig in der Bundesrepublik geschieht, ist die einseitige Aufkündigung der Sozialpartnerschaft durch die Arbeitgeber. Sozialpartnerschaft hat aber einen Sinn: Dahinter steckt die Überzeugung, dass jede Seite auf die andere angewiesen ist. Vom Export alleine können wir nicht leben. Inlandsnachfrage aber fehlt. Wo soll sie auch herkommen, bei den Löhnen? Zufriedenheit der Arbeitnehmer mit dem Arbeitsplatz ist in der BRD gelegentlich schon als Produktionsfaktor bezeichnet worden. Jetzt erhöht man den Druck. Weniger Lohn für längere Arbeitszeit bis 50, dann zum alten Eisen oder in die Niedriglohngruppe für unkreative Senioren. Viele sagen, die Arbeitgeber könnten gar nicht anders. Klar, wenn ich die Steuern senke und die Ausgaben erhöhe. Aber die Spar- Spirale kann nur zu weiter sinkenden Einnahmen führen, dann gibt es die nächste Lohnsenkungsrunde etc. Bald ist der Zustand erreicht, da macht das nicht mal mehr betriebswirtschaftlichen Sinn! Wir sind der Ansicht, eine Talsohle erreicht zuhaben. Diese SPD- Fraktion wird sich mit aller Kraft gegen weitere Verschlechterungen von Arbeitsbedingungen stemmen, selbst wenn die Tarifverträge das hergäben. Die Notlage der Öffentlichen Hand ist keine Folge der Globalisierung, sie ist eine Folge schlechter Politik. Jeder Arbeitgeber hat auch eine Verpflichtung für das Ganze. Ein Lichtblick immerhin: Die Stadt gewährt für viel Geld freiwillige Altersteilzeit und schafft damit neue Stellen – wenn auch nach TVÖD (neu). Was wir des Weiteren in gebotener Kürze begrüßen
  • Konzentration auf die städtebauliche Entwicklung innerorts statt nach draußen
  • Bemühungen um den Schulstandort
Was wir des Weiteren in gebotener Kürze vorschlagen
  • ein durchgängiges kommunales Flächenmanagement
  • eine richtig schöne Fußweg- Verbindung zwischen Bahnhof und Backsteinbau
  • einen Holzsteg über Gleis 1 und Zuschüttung der Unterführung
  • Verhandlungen über die Aufteilung von Werbekosten und Gewerbesteuer im zukünftigen Regionalen Gewerbegebiet
Die SPD- Fraktion erhebt keinen Ausschließlichkeitsanspruch auf Richtigkeit oder gar Wahrheit. Wir wissen, dass man um richtige Politik ringen muss, dass man um Wahrheit sich bemühen muss. Wir wissen auch, dass alle hier im Saal genau das tun. Wir wundern uns gelegentlich, warum bei all dem ernsthaften Bemühenen so oft so unterschiedliche Ergebnisse herauskommen. Dennoch, für die kollegiale, respektvolle Zusammenarbeit in diesem Gremium sind wir dankbar. Deshalb, zum Abschluss des Schiller- Jahres ein Spruch von Goethe, leicht verändert: Wer immer strebend sich bemüht, dem können wir zustimmen. Die SPD- Fraktion stimmt dem Haushalt 2006 zu. Klaus Schätzle

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